Selzach erhielt mit der Eröffnung der Bahnlinie Herzogenbuchsee-Solothurn-Biel 1857 eine Bahnstation. Das zweigeschossige Stationsgebäude mit Satteldach und einem mächtigen steinernen Portal stammt von 1857 und ist neben Solothurn-West der zweite originale Bahnhof aus der Eröffnungszeit der Bahnlinie. Der etwas weiter westlich gelegene Güterschuppen entstand gleichzeitig mit dem Stationsgebäude, wohingegen das heutige Perrondach aus dem Jahr 1913 stammt.
Der Eröffnung der Bahnlinie Solothurn-Biel folgte ab 1870 die Ansiedlung der Uhrenindustrie in Selzach, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts die Besiedlung des bis dahin unbebauten
Kulturlandes zwischen der neuen Bahnstation und dem unteren Dorfteil Selzachs mit sich brachte. Eines der ältesten Häuser dieses Quartiers ist das Restaurant Bahnhof, dessen Anfänge in das Jahr
1873 zurückreichen. Damals errichtete Peter Walker ein Wohnhaus, auf das er sich kurz darauf auch ein Pintenschenkrecht ausstellen liess. Der bereits um die Jahrhundertwende erneuerte Bau erfuhr
vor allem in den 1970/80er Jahren eine Vergrösserung und Modernisierung, die noch heute sein Aussehen bestimmt.
Foto: Lea Spiegl, 2024
Neue Bauformen
Weitere Wohnhäuser wurden erst rund zwanzig Jahre später realisiert. Die Entstehung des neuen Bahnhofquartiers wurde dabei offensichtlich durch wohlhabende Bürger Selzachs gezielt gefördert. So
kauften etwa Adolf Schläfli, Peter Léon-Schläfli und Adolf Rudolf gemeinsam Ländereien, errichteten darauf Wohnhäuser oder stellten sie willigen Bauherren zur Verfügung. Von dieser ersten
Besiedlung zeugen heute etwa das 1898 erbaute Haus Zilweg 11 oder auch die Häuser Zilmattweg 1 und 2, die zwar gleichzeitig geplant, kriegsbedingt aber in einem Abstand von 10 Jahren 1924 und
1914/15 realisiert wurden. Diese Häuser sind für ihre Zeit typische Bebauungen, welche die damals mehrheitlich bäuerliche Bauweise des Dorfes durch städtische, zeitgenössische Bauarten und
Stilelemente bereicherten. Das Haus Zilweg 11 fällt durch eine charakteristische Eckquaderung in Backstein und Mauerwerk, entsprechenden Fenstergiebeln sowie durch zierlich beschaffenes
Balkenwerk des Walmgiebels auf. Ähnliche Stilelemente zeigen auch die in ihrer Formensprache identischen Häuser Zilmattweg 1 und 2.
Im Gegensatz zu den Häusern am Zil- und Zilmattweg mit auffallend städtischen Bauformen, besitzt das Haus Bahnhofstrasse 11 eine eher unauffällige Gestaltung. Beim 1922 durch Albert und Josefine
Berchtold-Gisiger erbauten Wohnhaus handelt es sich um einen querrechteckigen Bau mit kleinem westlichen Anbau, der mit seinem groben Kieselwurfputz und dem überstehenden Walmdach eine behäbige
Gestaltung zeigt, wie sie in vielen Regionen der Schweiz anzutreffen ist und dem damaligen Geschmack einer breiten Bevölkerung entsprach. Die vergitterten Fenster im Erdgeschoss des Hauses zeugen
von dessen zeitweiliger Funktion als Postbüro der Gemeinde Selzach. Weitere Häuser dieser Zeit stehen an der Bahnhofstrasse 2 und 9 sowie am Zilweg 7 und 9.
Foto: Lea Spiegl, 2024